60 Jahre Maschinenring

    ,

    Wahrscheinlich würde die Landwirtschaft heute in Deutschland anders aussehen. Wahrscheinlich gäbe es viele bäuerliche Betriebe heute nicht mehr. Wahrscheinlich würden auch viel weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten. Und auch der Markt für Landtechnik würde anders aussehen, wenn nicht ein Mann in den 1950er Jahren beim Rasieren eine Idee gehabt hätte, die heute noch wirkt.
    Die Erfolgsgeschichte des Maschinenrings ist untrennbar mit einem Mann verbunden: Dr. Erich Geiersberger. Geiersberger wurde 1926 als zehntes von zwölf Kindern im niederbayerischen Taubenbach geboren. In einer Lehrerfamilie aufgewachsen, arbeitete er nach dem Krieg in landwirtschaftlichen Betrieben und entschied sich 1948 für ein agrarwissenschaftliches Studium. Nach Diplom und Promotion wurde Geiersberger Mitte der 1950er Jahre Pressechef der BayWa.
    Das Wirtschaftswunder bescherte der Industrie im Nachkriegsdeutschland ein Rekordwachstum nach dem anderen und ließ immer mehr Arbeitskräfte von der Landwirtschaft in die Industrie abwandern.

    Der Maschinenring – ein Geistesblitz
    „Am 24. Februar 1958, dem 35. Geburtstag meiner Frau, während der Nassrasur, streifte mich eine Idee wie ein Blitz“, schreibt Dr. Erich Geiersberger in seinen Memoiren „Glück gehabt!“. Dieser Geistesblitz war die Geburtsstunde der Maschinenring- Idee. Seine Idee der Zusammenarbeit entwickelte er weiter zu einer marktwirtschaftlichen Alternative zum Prinzip „Wachse oder weiche“, das die Agrarpolitik bis dahin geprägt hatte. Im Sommer 1958 bekam Dr. Geiersberger von seinem Chef grünes Licht für seine Idee und machte sich an die praktische Umsetzung. Am 27. Oktober 1958 gründete er in Buchhofen in Niederbayern mit 14 Bauern den ersten Maschinenring weltweit und schrieb damit Landwirtschaftsgeschichte. Was als Experiment begonnen hatte, ging auf. In den folgenden Jahren entwickelte er das Modell weiter und hielt mehr als 3.000 Vorträge, in Europa, Japan und Brasilien. Leidenschaftlich vertrat er dabei auch seine Idee des Maschinenrings, was nicht immer nur positiv aufgenommen wurde.

    Engagiert und auch mal unbequem
    1959 wechselte Geiersberger beruflich die Seiten. Beim bayerischen Rundfunk wird er Leiter des Landfunks. Seit 1964 begleitet die Sendung „Unser Land“ auch die Maschinenring-Idee. Dass Dr. Erich Geiersberger ein vorausschauender Analytiker und Mensch war, der genau hinsah und auch ansprach, was manche nicht hören wollten, zeigt ein Blick in seine 1974 veröffentlichte Publikation „Die Dritte Bauernbefreiung“. So prangerte Dr. Geiersberger den Umstand, dass Bäuerinnen am Hof als billige und selbstverständliche Arbeitskraft gesehen wurden, als „moderne Frauensklaverei“ an. Dasselbe gelte für die Bauernkinder: Er forderte die Landwirte auf, ihre Kinder nach deren Interessen und Fähigkeiten lernen zu lassen und sie nicht als Hilfskräfte am Hof zu missbrauchen. Welchen Beruf sie einmal wählen, müsse ihnen gänzlich freigestellt werden. Denn auch hier gilt: Jeder kann, keiner muss!

    Schneller als andere
    Mit einer beeindruckenden Weitsicht nahm Geiersberger den Strukturwandel in der Landwirtschaft vorweg und erkannte Entwicklungen, lange bevor sie den agrarpolitischen Entscheidungsträgern bewusst wurden. Auch heute ist Geiersbergers Geist, Menschen zusammenzubringen und gemeinschaftlich zu arbeiten, im Haus der Maschinenringe spürbar. So trägt auch der größte Seminarraum, in dem Menschen zusammenkommen, um Wissen zu teilen, die Landwirtschaft der Zukunft zu analysieren und den Maschinenringgedanken immer weiter zu entwickeln, den Namen Dr. Erich Geiersberger Saal.