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Auf Wikipedia heißt es: „Vegetarismus beschränkt sich nicht nur auf die vegetarische Küche, sondern wird auch als Weltanschauung und alternative Lebensweise verstanden.“ Bedeutet der Boom der fleischlosen Ernährung also, dass sich die Gesellschaft auf neue Werte und Moralvorstellungen zubewegt? Und was bedeutet das für die tierhaltende Landwirtschaft? Wir haben nachgefragt, wie Landwirte mit Schweinehaltung die neuen Ernährungstrends beurteilen.
Ich versuche mein Angebot zu erweitern
HEIDI KAISER, Maschinenring Bamberg

Nein, ich ärgere mich nicht. Ich versuche stattdessen, mein Angebot so zu erweitern, dass für jeden etwas dabei ist. Das ist mit viel Experimentieren verbunden und führt auch zu unerwarteten Ergebnissen: Wir haben zum Beispiel eine vegane Apfelstrudel-Torte entwickelt, die als Nischenprodukt geplant war und dann ein richtiger Renner geworden ist. Auch die vegane Schwarzwälder Kirschtorte kommt bei allen sehr gut an.
Ohne dass wir das so geplant hätten, haben sich die Kuchen und Torten zum wichtigsten Geschäftsfeld für unseren Betrieb entwickelt. Das hängt auch damit zusammen, dass ich sehr offen für neue Ideen bin und auch Nischen bediene. Mir macht das Spaß. Wir verkaufen inzwischen nicht nur in unserem Hofcafé, sondern ich beliefere auch ein weiteres Café und private Feiern, gerade auch Hochzeiten.
Wir arbeiten viel mit den sozialen Medien, dadurch ist zum Beispiel der Vegetarierbund auf uns zugekommen und wir haben eine Aktion zu den veganen Torten gemacht. Das bringt natürlich Aufmerksamkeit.
Aber ich habe auch gemerkt: Man muss sehr vorsichtig sein. Einmal habe ich ein Foto unserer Fleischtheke vom Hofladen gepostet, da ging dann direkt eine Diskussion los. Das mache ich nicht mehr. Grundsätzlich akzeptiere ich Vegetarier und Veganer, im Gegenzug möchte ich als Fleischesser aber auch toleriert werden. Das klappt im Großen und Ganzen sehr gut.
www.erlebnisernte.de
Mich ärgert die einseitige Darstellung
DIETZ WIECHERS, MR Oldenburger Land

Nein! Vegetarier haben sich zu dieser Ernährungsform entschlossen und es ist ihr gutes Recht, es so zu leben und auch umzusetzen, wie sie es für richtig halten. Was mich allerdings schon ärgert: Die einseitige Darstellung – vor allem in den Medien – , dass nur vegetarisch bzw. vegan eine gesunde Ernährungsform darstellen soll. Fleischprodukte zähle ich zu einer ausgewogenen Ernährung ebenso mit hinzu. Auch den Trend von Vegetariern hin zu Fleischersatzprodukten sehe ich kritisch. Essen ist heutzutage zu einem Lifestyle- Produkt geworden und vor allem bei jüngeren Menschen soll es möglichst „modern“ sein. Vielleicht gehört ja auch Fleisch bald wieder zum Lifestyle mit dazu – aber ich denke, dann kommt es stark darauf an, wie es produziert wurde.
Es ändert sich im Moment sehr viel im Bewusstsein der Menschen und das finde ich grundsätzlich richtig gut. Ich würde in meinen Ställen auch gerne neue Dinge ausprobieren wie zum Beispiel Stallkonzepte mit Stroh und Außenklimareizen. Aber das scheitert hier in Niedersachsen an den behördlichen Auflagen. Das muss sich alles langsam entwickeln. Ich bin sehr offen für Änderungen und freue mich auch über kritische Fragen, weil ich damit meine Arbeit immer wieder neu überdenken und vielleicht auch besser machen kann. Aber auf der anderen Seite müssen natürlich die Rahmenbedingungen passen. Wir haben inzwischen eine so effiziente Landwirtschaft, dass wir extrem billig produzieren können. Jetzt ist es an der Zeit, dass Faktoren wie eben der Tierschutz in den Fokus rücken. Das muss sich natürlich auch im Preis niederschlagen.
Es hat sich ein regelrechter Boom entwickelt
SILKE LEUTER, MR Alb-Oberschwaben

Ich ärgere mich selten darüber – es ist eher so, dass ich mich öfter mal wundere, welcher Boom sich hier entwickelt. Ich persönlich finde, dass der komplette Verzicht nicht die richtige Lösung ist. Man sollte lieber bewusster und regionaler einkaufen – lieber auf dem Bauernhof als im Discounter. Wir haben unsere Schweinemast vor zwei Jahren auf das Tierwohl- Label „Hofglück“ umgestellt, mit mehr Platz für die Schweine, Freilauf, Stroh für alle Tiere. Das ist für uns der beste Weg, und viele Kunden sehen das auch positiv und kaufen direkt bei uns ein. Aber diese Personengruppe ist noch überschaubar im Vergleich zu denen, die im Discounter einkaufen. Entweder Vegetarier oder Discounter – das finde ich falsch. Hochwertiges, mit Blick auf das Tierwohl produziertes Fleisch, in Maßen genossen, das wäre meine optimale Lösung.
Aber im Grunde ist der Trend zum vegetarischen Essen für mich kein Problem. Wir haben öfter große Veranstaltungen hier in unserem Hofcafé, und da ist es inzwischen Standard, ein fleischloses Essen anzubieten, das gehört einfach dazu.
Schwieriger wird es, wenn Ansprüche wie besonderes Essen bei Laktose- oder Glutenunverträglichkeit dazukommen. Das ist in der Gastronomie immer häufiger der Fall und wir versuchen natürlich, den Kunden gerecht zu werden – aber weil Gluten fast überall enthalten ist, ist das eine echte Herausforderung.
Problematisch wird es, wenn es in Richtung Missionieren geht
LARS HENKEN, MR Wesermünde-Osterholz

Problematisch wird es für mich, wenn es in Richtung Missionieren geht. Im Internet gibt es öfter mal Diskussionen, wo man sich schon ärgern kann. Ich bin inzwischen aber überzeugt, dass man die Diskussion mit den Hardlinern nicht gewinnen kann: Diese Menschen ändern sich nicht. Trotzdem ist es wichtig, mitzureden – es lesen viele mit, die offen sind für Argumente in alle Richtungen. Ich bin deshalb auch öfter mal aktiv in den Internetforen.
Auch im normalen Alltag werde ich mit den Ernährungstrends immer wieder mal konfrontiert, aber das finde ich völlig normal und das ist völlig in Ordnung so. Die Kunden, die bei uns Kartoffeln am Hof kaufen, wollen zum Beispiel gerne auch mal die Schweineställe sehen. Das machen wir dann natürlich auch. Da kamen noch nie negative Rückmeldungen. Komisch wird es für mich, wenn Argumente kommen wie „Die Tiere sind doch so niedlich“. Das hat mir eine Bekannte tatsächlich mal erklärt: Sie würde nur Hühner essen, die seien schließlich nicht so niedlich. Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute suchen eine Ersatzreligion oder eine Art Selbstverwirklichung.
Grundsätzlich glaube ich, dass für uns Landwirte im Moment kein Handlungsbedarf besteht. Der Marktanteil der fleischlosen Kost ist so gering, das spielt keine Rolle. Am Ende geht es beim Einkaufen trotz aller Modeerscheinungen dann doch nur ums Geld. Die konventionelle Schweinemast wird ganz sicher nicht abgeschafft.