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21. Dezember 202221.12.22

Doppelt Ernten

Maschinenringe Deutschland GmbH

Agrarflächen sind hart umkämpft, da sind Photovoltaik- Freiflächenprojekte als weitere Treiber der Pachtpreise sehr häufig alles andere als willkommen. Eine Lösung des Konflikts könnte die Agri- Photovoltaik sein – das sind Anlagen, bei denen die Stromproduktion und die landwirtschaftliche Nutzung von vornherein gemeinsam auf ein und derselben Fläche geplant sind. Dabei könne weiterhin bis zu 80 Prozent des landwirtschaftlichen Ertrags eingefahren werden. Besonders die Sonderkulturen eignen sich sehr gut für diese Doppelnutzung, weil die Modulreihen hier sogar positive Effekte wie eine Verschattung und die Verringerung der Windgeschwindigkeit mit sich bringen. Das sind allerdings noch eher theoretische Überlegungen, denn bei den gesetzlichen Regelungen der Agri-PV in Deutschland herrscht noch viel Unsicherheit. Bislang gelten bei der Projektierung dieselben Regeln wie bei einer Freiflächenanlage ohne agrarische Nutzung. AN DER STROMBÖRSE Auch die Anlage in Aasen nahe Donaueschingen gilt als „normale“ Freiflächenanlage nach dem Ausschreibungsverfahren des aktuellen EEG ans Netz. Mehrere Grundstückseigentümer hatten dafür ihre Grünlandflächen an den Betreiber, die Bürgersolarkraftwerke Donaueschingen-Aasen GmbH, verpachtet. Die Größe der Fläche ermöglicht eine installierte Leistung von 4,1 MWp zu einem in der Ausschreibung 2018 konkurrenzfähigen Preis von damals sechs Cent pro kWh. Verbaut wurden bifaciale – also beidseitig aktive – Module des chinesischen Herstellers Jolywood, und zwar vertikal in Ost-West-Ausrichtung, um ganztags möglichst viel Solarstrahlung zu nutzen. Ein wichtiger Baustein zum wirtschaftlichen Betrieb der Anlage, die knapp 700 Euro pro kWp gekostet hat, ist nach Auskunft des Betreibers die Vermarktung des Ertrags an der Strombörse. „Zu den Zeiten, wo andere Solaranlagen wenig Strom liefern, also vormittags und abends, bekommen wir Zuschläge“, sagt Sascha Krause-Tünker vom Projektierer Next2Sun, „das macht in der Gesamtrechnung den entscheidenden Unterschied.“ SO VIEL STROM WIE VOM DACH Die Anlage ging im Juni 2020 ans Netz. Es wurde noch kein voller Jahresertrag ausgewertet, aber die Betreiber erwarten 1.200 kWh pro kWp installierter Leistung. Das ist vergleichbar mit einer guten südlich ausgerichteten Dachanlage und beweist, dass die beidseitig aktiven Module wie gewünscht von morgens bis abends sehr effektiv arbeiten. WENIGER FUTTER ALS VORHER Damit die Flächen mit großen landwirtschaftlichen Maschinen befahren werden können, sind die Module in einem Reihenabstand von zehn Metern aufgestellt. Die Höhe beträgt rund drei Meter. Mit rund 15 Prozent weniger Einstrahlung rechnen die Betreiber der Anlage in Aasen durch die Beschattung, die von den Modulen ausgeht. Das kann für den Grasaufwuchs gut oder schlecht sein – gut bei Hitzestress der Pflanzen, schlecht bei ohnehin ungünstigen Wachstumsbedingungen. Im Hitzejahr 2020 hätte eine ihrer Agri-PVAnlagen im Saarland 70 Prozent Mehrertrag gegenüber einer Fläche ohne Verschattung geliefert – ein extremes und deshalb nicht übertragbares Ergebnis, das allerdings die Tendenz für Hitzejahre deutlich macht. Auch das Jahr 2021 war klimatisch extrem. Sehr hohe Niederschlagsmengen machten im Raum Donaueschingen die Heuproduktion zum Glücksspiel – statt zwei Schnitten entschied sich der Maschinenring Schwarzwald-Baar, der für die Agri-PV-Anlage die gesamten landwirtschaftlichen Arbeiten lenkt, für nur eine Ernteaktion, die Mitte August über die Bühne ging. Mit Erfolg – zehn Großballen Heu pro Hektar wurden eingefahren. Insgesamt müsse man die Grünlandbewirtschaftung im Rahmen dieser Agri-PV-Anlage aber als extensiv einstufen, so Rainer Hall, der Geschäftsführer im Maschinenring Schwarzwald-Baar. Es wird nicht gedüngt, an eine intensive Nutzung mit bis zu vier Schnitten sei hier nicht zu denken. Deshalb würden die 80 Prozent Ertrag im Vergleich mit der vorherigen Landnutzung ohne PV auch nicht erreicht. Die gesamte Heuernte wird vom Maschinenring zu marktüblichen Preisen verkauft. Vom Erlös werden die an der Arbeit beteiligten Landwirte bezahlt, der Überschuss geht als Spende an örtliche Vereine. KEINE PAUSCHALURTEILE „Als Maschinenring haben wir in dem gesamten Modell schon auch die Aufgabe, die verschiedenen Interessen ein Stück weit auszugleichen“ sagt Rainer Hall. Er hält nichts von einem pauschalen Loblied auf die Agri-Photovoltaik, man müsse schon individuell und sehr genau hinschauen. Auf gutem Ackerland sei es zum Beispiel problematisch, weil es natürlich nicht ohne Ertragseinbußen abgehen könne. Es sei auch kein großer Gewinn, wenn jede Freiflächenanlage, auf der Schafe weiden, als Agri-PV verkauft würde. Aber ein Modell wie in Aasen, das sieht auch er als „tolle Sache“. Hier wurden die Belange der Landwirtschaft von Anfang an mit eingeplant. Der Abstand der Module zum Beispiel ist so gewählt, dass der Einsatz eines Neun-Meter-Flügelmähwerks sehr komfortabel möglich ist. Durch den Einsatz von GPS-Technik beim Mäher wie auch bei Schwader und Kreisel ist die Gefahr, dass die Module bei den Arbeiten Schaden nehmen, noch weiter reduziert. Nur eine Sache stört den Arbeitsfluss etwas: Beim Wenden der Maschinen am Ende der Reihen ist es auf einer Seite so eng, dass das Mähwerk eingeklappt werden muss. Auf der anderen Seite hingegen ist „üppig“ Platz vorhanden. Zwischen den gemähten Streifen bleibt ein knapp ein Meter breiter Streifen stehen, also zwischen den Modulen und knapp 50 Zentimeter davor und dahinter. Dieser Streifen wird von Schafen abgeweidet. Weil der Schäfer vor Ort ist, läuft die Beweidung unkompliziert und preiswert ab – andernfalls müsste der Mehraufwand noch einkalkuliert werden. „ALLE ZUSAMMENBRINGEN“ Die landwirtschaftlichen Arbeiten erledigen Maschinenring- Mitglieder aus der Region. Einer davon ist ein ehemaliger Pächter eines Teils der Fläche. Er ist nicht glücklich über den Verlust des Grünlands, kann über die Auftragsarbeit aber immerhin auch an dem Projekt teilhaben. „Wir wollen alle zusammenbringen“, meint Rainer Hall dazu, „aber ganz einfach ist das auch bei einem Agri-PV-Projekt nicht“.

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