Eine Frage, zwei Blickwinkel
Einfache Antworten gibt es selten – schon gar nicht, wenn alles so stark miteinander zusammenhängt wie in der Landwirtschaft. Oft bringt es weiter, wenn man die Welt aus einem anderen Blickwinkel als dem eigenen anschaut. Dazu wollen wir mit unserer neuen Rubrik Perspektiven anregen, die sich ab sofort immer hier in der Heftmitte befindet. Den Einstieg machen Elli und Martin Stöckl aus dem Maschinenring Wolfratshausen. Sie führen einen Milchviehbetrieb mit 50 Kühen, Elli arbeitet zudem als pädagogische Fachkraft in einer Klinik. Ihre vier Kinder sind erwachsen und haben alle Freude an der Landwirtschaft, aber auch ihre eigenen Berufe. Jetzt, wo es langsam auf die Rente zugeht, stellen sie sich einige Fragen – und jeder schaut ein wenig anders darauf.
Elli
Ich hätte ja richtig Lust darauf, noch einmal ein neues Kapitel aufzuschlagen und auf unserem Schuastahof mit sozialer Landwirtschaft anzufangen.
Wir haben hier so viel Platz, wir könnten den alten Stall und die Tenne umbauen und dann zum Beispiel ein Mehrgenerationen-Projekt starten. Richtig gut gefällt mir auch die Idee, Menschen mit leichteren Einschränkungen hier aufzunehmen und aktiv auf dem Hof mitarbeiten zu lassen. Das wäre ein Gewinn für alle Beteiligten! Ich habe schon einen Kurs besucht, in dem das nötige Wissen dafür vermittelt wird. Da haben wir auch Besuche bei bestehenden Projekten gemacht – das war toll! Für den Martin wird die Arbeit im Stall allmählich zu schwer. Wir brauchen eine Lösung.
Auf der anderen Seite läuft der Betrieb jetzt endlich in ruhigen Bahnen. Wir sind bei einer guten Molkerei angekommen, das Milchgeld ist hoch genug, damit auch etwas hängen bleibt. Das war über viele Jahre nicht so, gerade in der Zeit als Biobetrieb mussten wir immer wieder zur Bank gehen. Ich hätte es trotzdem noch eine Weile durchgehalten. Ich wäre zäher gewesen als Martin, er hat recht plötzlich entschieden: Wir gehen zurück auf konventionell. Das hat mir schon wehgetan, ich war eine überzeugte Bio-Bäuerin. Es war halt eine ungünstige Zeit für den Umstieg damals: Die Biomilch hat kaum mehr eingebracht als die konventionelle, die Anforderungen waren sehr hoch.
Ans Aufhören habe ich trotzdem nie gedacht. Das war gar keine Frage, es geht doch immer irgendwie weiter. Ich schaue grundsätzlich lieber nach vorn als zurück. Wenn ich mich für etwas begeistere, dann bin ich sehr motiviert und möchte am liebsten sofort loslegen. So war es auch, als ich 2013 als Erlebnisbäuerin angefangen habe. Das hat richtig eingeschlagen und mir Spaß gemacht. Auch der Martin kann sehr gut mit Kindern umgehen und ist überhaupt ein einfühlsamer Mensch. Ich glaube, soziale Landwirtschaft wäre genau das Richtige für uns.
Martin
Ich würde gern ein wenig kürzertreten und Verantwortung abgeben. Ich merke, dass die Energie einfach nicht mehr so da ist wie früher.
Wir führen den Betrieb jetzt seit 35 Jahren, davon waren einige wirklich hart. Ich war schon einige Male an dem Punkt, wo ich mir dachte: Jetzt hören wir auf. Aber dann habe ich doch weitergemacht. Heute haben wir einen schönen, modernen Laufstall, gesunde Kühe und eine ordentliche Milchleistung. Unsere Molkerei honoriert es, dass wir uns sehr ums Tierwohl kümmern, die Einnahmen stimmen. Das tut gut, weil es nicht immer so war. Die Vorstellung, jetzt wieder mit einem ungewissen neuen Projekt anzufangen, ist schwierig für mich. Ich sage es ganz ehrlich: Die harten Jahre haben bei mir ihre Spuren hinterlassen, ich war nervlich oft an der Grenze.
Ein Leben als Landwirt war eigentlich nicht meine Wunschvorstellung. Ich stamme von einem Bauernhof, habe aber Kunst- und Bauschlosser gelernt und auch sehr gern in dem Beruf gearbeitet. Elli war Hofnachfolgerin, da war dann klar: Ich werde doch Bauer. Am Anfang war da der alte Anbindestall, das wollten wir ändern. Wir haben entschieden, einen neuen Stall zu bauen und auch gleich auf Bio umzustellen. Dann kamen die harten Jahre: Bei einem Brand sind einige Gebäude zerstört worden, der Stallbau war anstrengend und als dann alles fertig war, stellte sich der Einstieg in die Biomilch-Produktion als viel schwerer als gedacht heraus. Meine Flächen gaben immer weniger Futter her, die Milchleistung sank, das zugekaufte Biofutter war teuer. Es ging finanziell nicht mehr auf.
Wenn wir so weitergemacht hätten, der Hof wäre kaputtgegangen. Mit unserem Maschinenring-Berater haben wir drei Stunden lang geredet und gerechnet, und dann war für mich klar: Wir müssen zurück in die konventionelle Schiene. Es ging halt nicht anders, auch wenn Elli und die Kinder überhaupt nicht begeistert waren. Ich habe viel von der Bio-Zeit gelernt, nach wie vor gibt es für mich nichts Schöneres, als die Kühe auf der Weide zu sehen. Es wäre halt recht, wenn junge Leute da wären. Elli hält sehr an dem Hof fest und will, dass er unbedingt in der Familie bleibt. Ich könnte mir inzwischen auch vorstellen, den Stall und das Land zu verpachten. Ich sehe bei anderen Landwirten, dass das eine gute Lösung sein kann. Und wir könnten dann alles ruhiger angehen lassen. Wir haben zehn Enkelkinder, langweilig wird es uns bestimmt nicht werden.