Wie praxistauglich sind digitale Anwendungen für den Ackerbau? Christian Sancken, ein Landwirt aus dem Maschinenring Wesermünde- Osterholz, will es wissen und düngt seinen Mais in diesem Jahr erstmals nach selbst erstellten Applikationskarten. Für das Maschinenring Magazin lässt er sich dabei von unserer Autorin Dagmar Hofnagel über die Schulter schauen.
Seit einigen Jahren experimentiert Christian Sancken aus dem niedersächsischen Geestland bereits mit teilflächenspezifischen Anwendungen auf seinen Flächen. In diesem Herbst nun wird er bei der Maisernte erste konkrete Ergebnisse sehen: Lohnt sich der Aufwand, kann mit einer angepassten Düngung tatsächlich noch etwas herausgeholt werden?
Maschinenring vermittelt
Im Alleingang ist der Einstieg ins Precision Farming für kaum einen Landwirt möglich. Auch Christian Sancken hat Partner, vor allem den Lohnunternehmer Lars Lange. Mit ihm gemeinsam tüftelt er an praxistauglichen Möglichkeiten. Vermittelt und abgerechnet werden die Arbeiten über den Maschinenring Wesermünde – Osterholz e.V. Im ersten Schritt geht es darum, die aktuelle Situation festzuhalten. Wie setzt sich die Ernte auf den Flächen an Mais und Gras zusammen? Dann kommt im zweiten Schritt die Frage, wie diese Erträge optimieren können. Christian Sancken bewirtschaftet rund 180 ha Fläche allein mit dem Mais, den er für seine Kühe und seine Biogasanlage benötigt. Eine ähnliche Fläche entfällt auf Gras. Der staatlich geprüfte Landwirtschaftsmeister arbeitet auf seinem Betrieb mit insgesamt knapp 500 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche mit dem spitzen Stift und will genau wissen, wie sich der Einsatz von Saatgut und Betriebsmitteln rechnet.
Ernte genau erfassen
Angefangen hat das Experimentieren mit der Häckslersoftware von Lars Lange. Damit kann der Agrarservicemeister teilflächenspezifisch genau feststellen, wie viel Ertrag von welchem Teil des Ackers kommt. Zusätzlich gibt es mithilfe einer Labortechnik Angaben zu Qualitäten wie Trockensubstanz und Inhaltsstoffen. So werden unter anderem Nassgewicht, Eiweißgehalt, verdauliche Rohfaser, nicht verdauliche Rohfaser oder Rohasche schon während der Fahrt dokumentiert. Diese Erkenntnisse dann auch optimal zu nutzen – das ist die nicht ganz einfache Aufgabe, die damit beginnt, alle Daten auf die Karten des Systems vom Hof Sancken zu übertragen und kompatibel zu gestalten. Das Ziel dahinter ist es, aus den Ertragsdaten Applikationskarten für die Aussaat und die Ausbringung von Düngung zu erstellen. Je nach dem Potenzial der jeweiligen Teilfläche sollen Saatgut und Dünger genau dosiert zum Einsatz kommen.
Um aussagekräftige Karten erstellen zu können, werden Daten zu den Erträgen auf den Flächen über mehrere Jahre benötigt. Beide Unternehmer waren sich bald einig, dass sie bisher noch nicht genügend Daten dafür gesammelt hatten. So gab es beispielsweise in einem der Jahre erhebliche Wildschweinschäden, die die Applikationskarten verfälscht hatten. Aussaatstärke und der Einsatz von Betriebsmitteln passten nicht mehr zu den erzielten geringeren Erträgen aufgrund der Schäden.
Die beiden Praktiker haben das Programm eines Anbieters hinzugezogen, der mit Satellitenbildern arbeitet. Unter anderem sind im Programm Bodenpunkte, Bodenart, Wasserverfügbarkeit und vor allem die Dichte des Bewuchses festgehalten. Auch eine Ertragspotenzialkarte ist vorhanden. Und das Wichtigste: Das System ist mit der Software auf den Maschinen von Lars Lange und Christian Sancken kompatibel. „Hier hat die Technik einwandfrei funktioniert“, sind die beiden Niedersachsen zufrieden. Der Feldhäcksler dient ihnen im Herbst mit seiner Erfassung von Ertrag und Inhaltsstoffen der einzelnen Flächen zur Ergebnisanalyse. Nach dem Auswerten der Ergebnisse werden sie besprochen. Bei Bedarf können die Applikationskarten für die neue Aussaat in puncto Aussaatstärke oder Düngergabe angepasst werden. Ein ständiger Lernprozess ist notwendig, darüber sind sich beide Unternehmer klar.
Der Faktor Zeit
Auf Hof Sancken wird in Ackerschlagkarteien alles digital dokumentiert, was auf den Feldern passiert. Lohnunternehmer Lars Lange kann auf diese Daten zugreifen. Im Gegenzug hat Christian Sancken auf die Daten seines Betriebs bei dem Lohnunternehmer Zugriff. Allerdings hat die Übertragung in der Vergangenheit nicht immer funktioniert. „Man müsste mehr Zeit haben, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen“, sind sich Sancken und Lange einig. Der hohe Zeitaufwand für das Tüfteln bedeutet für sie den begrenzenden Faktor in dieser Angelegenheit. Manches könnte schneller gehen, wenn es mehr selbsterklärende Vorgänge bei der Installierung und Nutzung der Programme gäbe. „Daran müssen die Anbieter noch arbeiten. Ein bisschen fühlen wir uns auch als Versuchskaninchen für die Landtechnikhersteller. Diese Technik ist etwas für spezialisierte Spezialspezialisten“, schmunzelt Sancken. Jetzt setzen sie verstärkt auf das Programm mit den Satellitenbildern, das einfacher und weniger fehleranfällig zu nutzen ist.
Düngeverordnung anpassen
Neben dem Wissen über die Kosten der Produktion besteht ein weiterer Vorteil des Systems darin, dass die Vorgaben der Düngeverordnung mit konkreten Zahlen leichter angepasst werden können. „Wenn ich nachweisen kann, dass ich anstatt des von der Landwirtschaftskammer veranschlagten Ertrags von 11 t/ha beim Gras 15 bis 17 t /ha erwirtschafte und damit dem Boden auch mehr Dünger entziehe, kann ich anschließend auch wieder mehr Dünger ausbringen“, so Sancken.
Trotz der Vorteile ist das Interesse der Landwirtschaft an digitalen Systemen noch überschaubar – diesen Eindruck haben Lange und Sancken. Es fehlen umfangreiche Erfahrungen, auf die Einsteiger zurückgreifen können. Hier im Maschinenring Magazin geben die beiden Pioniere ihre Erfahrungen weiter, damit das System weiter wachsen kann. In der nächsten Ausgabe wird es spannend: Der Mais ist dann geerntet und es lässt sich konkret nachvollziehen, welche Effekte der Einsatz der Applikationskarten gebracht hat. Darüber berichten wir in Teil 2 dieses Beitrags.