Ein Maschinenring in Nordrhein-Westfalen kämpft gegen Mitgliederschwund und Strukturwandel in der Landwirtschaft – mit der Pflege von Senioren. Ein Konzept auch für andere Maschinenringe?
Immer weniger Landwirte, immer mehr ältere Menschen
Der Strukturwandel in Landwirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gange. Das hat auch deutliche Auswirkungen auf die Maschinenringe in Deutschland: weniger Mitglieder, weniger Beitragszahler. Der Maschinenring Borken in Nordrhein-Westfalen kämpft dagegen an – mit der Pflege älterer Menschen als zusätzlichem Geschäftsfeld.
Christoph Rahmann ist seit vier Jahren Geschäftsführer des Maschinenrings "BHD Borken-Bocholt" – und Chef der Sozialstation. Es gibt einen Seniorentreff, eine ambulant betreute Wohngemeinschaft und einen mobilen Pflegedienst. Mehr als 120 Mitarbeiter sind hier beschäftigt – sie kümmern sich um rund 300 Pflegebedürftige. "Die Zahl der Mitarbeiter im Pflegebereich steigt sogar", sagt der ausgebildete Steuerfachangestellte.
Im Seniorentreff haben sich an diesem Tag im Juni zehn ältere Frauen und Männer versammelt; sie singen, sie plaudern, sie trinken Kaffee und essen Apfelkuchen. Auch die 85-jährige Agnes Garreß ist dabei. Die ehemalige Bäuerin lebt mit ihren Kindern und dem Enkel auf einem Hof in der Nähe – aber tagsüber verbringt sie ihre Zeit im Seniorentreff. "Ich bin sehr zufrieden hier", sagt sie. "Früher war es hier auf dem Land ganz normal, bei den Schwiegereltern zu wohnen. Als ich jünger war, habe ich meinen Schwiegervater auch selbst gepflegt. Die Sozialstation gab es damals noch nicht."
Doch die Zeiten haben sich geändert
Viele landwirtschaftliche Betriebe haben in den letzten Jahrzehnten aufgegeben, immer mehr Menschen gehen einer bezahlten Arbeit als Angestellte nach. Angehörige selbst zu pflegen, ist daher für viele Menschen auf dem Land nicht mehr leistbar. Der Maschinenring Borken hat deshalb schon vor fast 30 Jahren eine Tochtergesellschaft für die Pflege von Angehörigen der Maschinenringmitglieder gegründet. Später kam der mobile Pflegedienst dazu, 2013 die Tagespflege. Im vergangenen Jahr wurde die Einrichtung erweitert. Bereits wenige Monate nach der Eröffnung der Wohngemeinschaft seien die Pflegeplätze ausgebucht gewesen, berichtet Rahmann.
„Die Idee war von Anfang an, die Landwirte in unserem Maschinenring zu entlasten. So können sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren und müssen sich nicht um die Pflege ihrer Angehörigen kümmern“, sagt er. Der Pflegedienst sei für die Maschinenring-Mitglieder eine „Riesenentlastung“: Morgens kommt ein Mitarbeiter, holt die Mutter oder den Großvater ab, fährt sie in die Tagespflege und bringt sie abends wieder nach Hause – und sogar ins Bett. Inzwischen kommt ein großer Teil der Pflegebedürftigen auch aus nicht landwirtschaftlichen Haushalten.
Win-win-Situation
Von den Einnahmen der Sozialstation profitiert auch der Maschinenring, der durch den Pflegebereich finanziell gestärkt wird. „Als Maschinenring muss man auch betriebswirtschaftlich denken. Irgendwann kann man nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, wenn man keine anderen Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft anbietet“, sagt Rahmann. Die Betriebshilfe, die Kernkompetenz der Maschinenringe, müsse durch andere Einnahmequellen refinanziert werden. „Allein mit dem Jahresbeitrag von 65 Euro von unseren Mitgliedern ist das nicht zu stemmen.“ Der Betrieb der Sozialstation ist also eine Win-Win-Situation: Für die Maschinenringmitglieder und für den Ring selbst, der wirtschaftlich gestärkt wird. Außerdem wird die kostenintensive Betriebshilfe für die Höfe sichergestellt, zum Beispiel die Vertretung von Bäuerinnen und Bauern im Krankheitsfall. Auch eine Düngebedarfsermittlung, ein Saatgutverkauf und der Gartenbau gehören zum Portfolio des 900 Mitglieder starken Maschinenrings.
„Der Pflegebereich ist für die Maschinenringe eine sehr spannende Lösung“, sagt Rahmann. „Die Maschinenringe sind prädestiniert für den sozialen Bereich. Das Potenzial ist absolut da.“ Doch Rahmann bremst vorschnelle Erwartungen: Man müsse sich gut einarbeiten. „Die Pflege ist ein sehr sensibles Feld, da kann man bei Problemen mit Pflegebedürftige schnell in den Bereich der Körperverletzung kommen.“ Bei der Gründung eines Pflegediensts sollte man „unbedingt“ einen Fachmann zu Rate ziehen, der sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auskennt. Man brauche auch genügend finanzielle Mittel, denn nach der Eröffnung einer Wohngruppe seien nicht sofort alle Plätze vermietet.
Doch trotz aller Bedenken, die Zukunft der Maschinenringe steht für Rahmann auf Pflege:
„Die Pflege wird das größte Standbein des Unternehmens sein – damit unsere Kernkompetenz, die Betriebshilfe, weiterlaufen kann.“
Text und Bilder: Max Wochinger
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