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22. Juni 202322.06.23

Was sind Biostimulanzen?

Bundesverband der Maschinenringe e.V

Biostimulanzien ist der Oberbegriff für eine Klasse von Betriebsmitteln, die weder Pflanzenschutz- noch Düngemittel sind und die vor allem einer Stärkung der Pflanzen dienen sollen. Bislang wurden sie vor allem im Ökolandbau eingesetzt und finden nun zunehmend Eingang auch in den konventionellen Ackerbau.

Inzwischen haben auch die großen Pflanzenschutz-Unternehmen das Marktsegment der Biostimulanzien für sich entdeckt. Aber was genau wird hier in immer größerem Maßstab verkauft? Form und Zusammensetzung der Produkte sind nicht einheitlich. Sie bestehen aus unterschiedlichen Rezepturen folgender Inhaltsstoffe:

  • Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen
  • bioaktiven Substanzen, die aus Pflanzen-, Algen- oder Kompostextrakten gewonnen werden sowie aus
  • Huminstoffen und verschiedenen Eiweiß- oder Abfallprodukten. Die Biostimulanzien werden eingesetzt, um die Widerstandsfähigkeit, Qualität und Erträge von Kulturpflanzen sowie deren Toleranz gegen abiotische Stressfaktoren wie extreme Temperaturen oder Trockenheit zu erhöhen oder die Bodenfruchtbarkeit zu stärken. Sie sollen Pflanzen bei der Nährstoffaufnahme unterstützen – ohne eine direkte Düngewirkung zu haben. Sie stimulieren das Wurzelwachstum und verbessern dadurch die Nährstoffverfügbarkeit und die Bodenfruchtbarkeit. Außerdem sollen die Mittel Nährstoffe im Boden mobilisieren und zum Beispiel dabei helfen, Luftstickstoff zu binden.

Biostimulanzien dienen weder als Nährstoffquelle noch haben sie eine spezielle, zielgerichtete Wirkung gegen Pflanzenschädlinge. Deshalb sollen sie zukünftig als eigenständige Produktgruppe im Rahmen des derzeit auf europäischer Ebene diskutierten neuen Düngemittelrechts erfasst werden. Bislang ist die Abgrenzung zwischen Pflanzenstärkungs-, Pflanzenschutz- und Düngemittel noch unbefriedigend. Aktuell gilt für Deutschland, dass Pflanzenstärkungsmittel in § 2 Nr. 10 Pflanzenschutzgesetz (PFLSchG) erfasst sind. Sie sind dort als Stoffe und Gemische einschließlich Mikroorganismen definiert, die ausschließlich dazu bestimmt sind, allgemein der Gesunderhaltung der Pflanzen zu dienen oder Pflanzen vor nichtparasitären Beeinträchtigungen zu schützen. Produkte der zweiten Gruppe sind zum Beispiel Mittel zur Verminderung der Wasserverdunstung oder Frostschutzmittel. Pflanzenstärkungsmittel dürfen keine direkte Wirkung auf Schadorganismen oder Krankheitserreger haben, da sie sonst als Pflanzenschutzmittel sehr viel strengeren Vorschriften unterliegen würden. Präparate mit hauptsächlich wachstumsfördernder Wirkung gelten hingegen als Pflanzenhilfsmittel oder Bodenhilfsstoffe. Sie fallen in Deutschland unter das Düngemittelrecht.

Neue Einordnung

Sobald die neue EU-Düngeprodukte-Verordnung im Sommer 2022 vollständige Gültigkeit erlangt, können Biostimulanzien als eigenständige Düngeprodukte vermarktet werden. Solange werden in Deutschland Produkte mit biostimulatorischen Eigenschaften weiterhin als Pflanzenstärkungsmittel nach dem Pflanzenschutzrecht oder als Pflanzenhilfsmittel bzw. Bodenhilfsstoffe nach der Düngemittelverordnung in den Handel gebracht. Um einen tieferen Einblick in die Gruppe der Biostimulanzien zu geben, haben wir uns das Produkt Happy Green, das in Deutschland produziert wird, genauer angeschaut. Der Hersteller, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie ein Landwirt berichten von ihrer Zielsetzung und ihren Erfahrungen.

Kräuter aus ganz Europa

Löwenzahn und Brennnessel sind nur zwei von bis zu 28 Kräutern, die Hergen Reinken für sein Pflanzenstärkungsmittel verwendet. Der Landwirtschaftsmeister hat die Produktion von „Happy Green“ schon vor 14 Jahren zu einem wichtigen Standbein seines Betriebs gemacht.

Zusammengefügt werden die in Alkohol gelösten Kräuter, die Hergen Reinken für sein Produkt in ganz Europa einkauft, im heimischen Wiefelstede in großen Milchtanks. Zitronensäure dient als Konservierungsmittel, Wasser ist ebenfalls ein Bestandteil der Lösungen.

Im Laufe der vergangenen 14 Jahre hat der Landwirtschaftsmeister ausprobiert, welche Zutaten bei welchen Kulturen besonders gut wirken. So werden Getreide, Raps oder Grünland mit einem Liter pro Hektar behandelt, Kartoffeloder Rübenbestand bekommen doppelt so viel. In der Regel handelt es sich hier um die gleichen Inhaltsstoffe. Den optimalen Ausbringungszeitpunkt sieht Reinken im Zwei- bis Achtblattstadium gemeinsam mit einem Pflanzenschutzmittel. Das Mittel ist mischbar mit allen zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, Blattdüngern oder anderen Flüssigdüngern. Einzelheiten über die Zusammensetzung gibt er natürlich nicht preis. Sein Versprechen? Das Produkt rege den Stoffwechsel der Pflanzen an. Die Pflanzen bezeichnet er als vitaler. Haupt- und Feinwurzeln seien deutlich besser ausgebildet. Sie könnten die Nährstoffe im Boden besser aufnehmen und kämen eher an tiefer im Boden vorhandenes Wasser heran. So würden sie widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten, bei Staunässe oder Trockenheit.

AUFNAHME ÜBER DAS BLATT

Die Mittel sind von der Fibl als ökologisch unbedenklich für die Umwelt eingestuft. Die Fibl ist eine unabhängige Forschungseinrichtung in der Schweiz, die sich mit der Erforschung von Methoden und Anwendungen des biologischen Landbaus beschäftigt. Auch in Deutschland sind hier die Produkte gelistet, die in ökologisch arbeitenden Betrieben eingesetzt werden dürfen. Somit sind sie auch auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben einsetzbar. Vorwiegend wird Happy Green über das Blatt aufgenommen.

ZULASSUNG

Schon bald nach der Übernahme der Rezepturen begann Reinken mit eigenen Versuchen auf landwirtschaftlichen Betrieben. Die Zulassung für ihr Mittel hat die HRD (Hergen Reinken Dingsfelde) GmbH 2012 von der Düngemittelbehörde bekommen. Definiert wird es als organischer NPK-Dünger mit 0,31 % N, 0,02% P und 0,08 % K. Ein Jahr später gab er bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Versuche in Auftrag. Aktuell werden Versuche mit Blick auf fehlende Wirkstoffe im Pflanzenschutz und aufgrund der Düngeverordnung durchgeführt. Generell stuft die Landwirtschaftskammer das Mittel als vitalisierend für die Pflanzen ein – in erster Linie in Stresssituationen wie beispielsweise Trockenheit oder Nährstoffmangel. Ab 2022 soll die Voraussetzung für die Zulassung von Biostimulanzien die Kennzeichnung mit CE und GMP+ sein. Die Bedingungen für GMP+ werden bereits heute in Wiefelstede erfüllt. Jedes Jahr erfolgen Prüfungen zum Erhalt des Nachweises.

Neben der Unterstützung für landwirtschaftliche Erzeugnisse bietet Reinken auch Zusammensetzungen für die Obst- und Gemüseproduktion an. Auch im Tierbereich und für Biosgasanlagen hat er Varianten im Angebot. Bisher sind seine Angebote in erster Linie in Norddeutschland vertreten. Dennoch hat er auch Vertriebspartner im Süden des Landes. Neben fest angestellten Mitarbeitern sind weitere Kollegen und Landhändler auf Provisionsbasis für seine Produkte in der Landwirtschaft unterwegs.

Erträge in Extremjahren absichern

Seit etwa fünf Jahren setzen Jürgen und Henning Brandt aus dem Maschinenring Zeven das Mittel in ihren Beständen ein. In normalen Jahren stellen sie keinen großen Unterschied zu Flächen ohne die Behandlung fest. Interessant wird es in Trockenjahren.

Angefangen haben sie im Mais. Mittlerweile setzen sie das Mittel in allen landwirtschaftlichen Kulturen auf ihren 65 Hektar Ackerland ein: Getreide, Kartoffeln und Mais. Kartoffeln bauen sie erst wieder seit drei Jahren an. Auch wenn nicht in jedem Jahr ein eindeutiger Vorteil festzustellen ist, so sind sie doch davon überzeugt, dass sie mit Happy Green speziell in extremen Jahren ihren Ertrag absichern können. Die Mischkalkulation ist für sie in Ordnung. Insgesamt bewirtschaften die Brandts 70 Hektar inklusive fünf Hektar Grünland.

Gemeinsam mit Herbiziden bringen sie das Pflanzenstärkungsmittel aus, wenn das Blatt groß genug ist. Beim Mais ist das Zweibis Sechs-Blattstadium günstig. Beim Getreide sollte das Mittel ab dem Zwei-Blattstadium im Herbst ausgebracht werden, um die Pflanzen für den Winter zu stärken. In den Kartoffeln sind die Fungizide die Partner. Hier wird zweimal in die Bestände gefahren. Das erste Mal beim Durchstoßen der Blätter, das zweite Mal beim Reihenschluss.

Ihre Erfahrungen in den verschiedenen Kulturen? „Der Mais bildet bessere Kolben aus. Damit haben wir mehr Ertrag“, so die Erfahrung von Henning Brandt, einer der beiden Betriebsleiter. Bis zu neun Prozent mehr Ertrag konnte er in dem extrem trockenen Jahr 2018 einfahren. Auch beim Weizen stellt er eine größere Ähre und größere Körner fest – ebenfalls in Extremjahren und immer im Vergleich zu Flächen, die nicht behandelt wurden. Hier handelt es sich um kleinere sogenannte Nullparzellen für den Vergleich. In „normalen“ Jahren haben sie fast keinen Unterschied festgestellt.

Bei den Kartoffeln können sie mit dem Einsatz des Mittels eine bessere Sortierung erzielen. Und auch hier spricht Henning Brandt von einem höheren Ertrag – vier bis fünf Prozent sind möglich. Entscheidend dafür ist nach seinen Erfahrungen die Wurzelausbildung. „Das ist wiederum am besten beim Mais festzustellen“, so der 29-jährige. Vor allem die Feinwurzeln nehmen mehr Feuchtigkeit auf.

Die Kosten? Mit 26 Euro pro Liter und damit auch pro Hektar rechnet Brandt bei der Abnahme von 100 Litern. In den Kartoffeln fallen doppelt soviel Kosten wegen der zweifachen Behandlung an.

Wirkung vor allem bei Stress

Im Auftrag von Hergen Reinken untersucht die Landwirtschaftskammer Niedersachsen die Wirkung seines Pflanzenstärkungsmittels. Das Ergebnis: Effekte treten vor allem dann auf, wenn Wetter oder Bodenqualität nicht optimal sind.

2013 wurde mit den Versuchen begonnen. In Getreide, Rüben, Kartoffeln und Mais wurde die Wirkung des Blattdüngers Happy Green getestet. Karl Gerd Harms hat die Untersuchungen beim Mais geleitet. Sein Fazit: Das Pflanzenhilfsmittel – als Volldünger definiert – hilft den Pflanzen in erster Linie, Stresssituationen besser durchzustehen. Dazu gehören Trockenheit, Staunässe oder Krankheiten. Beim Mais wurden in den Versuchen häufig etwas höhere Stärkegehalte festgestellt. Das lässt mitunter auch Rückschlüsse auf den Stärkeertrag und damit auf den Ertrag der Bestände zu. Allerdings tritt dieses Phänomen nicht deutlich über mehrere Versuche auf. So kann in der Regel „lediglich“ von einer positiven Tendenz für höhere Stärkegehalte und Erträge berichtet werden.

Auch bei der gleichzeitigen Gabe des Mittels mit Herbiziden zeigte sich eine Wirkung: „Das Mittel hat dafür gesorgt, dass die Maispflanzen bestimmte Pflanzenschutzmittel besser vertragen. Die Bestände sind widerstandsfähiger“, so Harms. Diese Beobachtung spiegele sich auch im Ertrag wider. Widerstandsfähigere Pflanzen bestätigt der Agraringenieur ebenso bei Trockenstress. Dank der größeren Wurzelmasse kann sich die Pflanze Feuchtigkeit aus tieferen

Generell ist es bei Versuchen so geregelt, dass sie bei mehreren Durchläufen dasselbe Ergebnis aufzeigen müssen. Erst dann werden belastbare Ergebnisse erzeugt. Ansonsten ist von Zufällen auszugehen. Der einzelne Versuch wird in vierfacher Wiederholung angelegt. Das heißt, jede Variante wird in vier Testparzellen auf der Versuchsfläche geprüft. Anschließend werden die Einzelergebnisse statistisch ausgewertet und eine Grenzdifferenz berechnet. Diese gibt an, ab welcher Abweichung von „echten“ Unterschieden gesprochen werden kann.

Aktuell werden Versuche zu Beizen angestellt. Dazu liegen noch keine Ergebnisse vor. „Wenn eine positive Wirkung des Mittels auf die Pflanze festgestellt würde, wären diese Ergebnisse besonders für Biobetriebe interessant“, so Harms. Auch für den Einsatz in Kartoffeln hat Reinken Versuche in Auftrag gegeben. Effekte auf Ertrag, Sortierung, Stärkegehalt und andere Qualitätskriterien wurden untersucht. Hier sieht es ähnlich aus wie beim Mais. Ein eindeutig positives Ergebnis hat es nicht gegeben. Die Werte haben sich innerhalb der Grenzdifferenz bewegt.

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