Wasserstoff erzeugen – aus Gülle, Mist, Klärschlamm oder Speiseresten. Die Vorstellung klingt genial. „Die Technik ist vorhanden und funktioniert“, ist Unternehmer Hubert Kohler aus dem oberbayerischen Peißenberg überzeugt. Der Maschinenbau-Ingenieur stammt aus der Landwirtschaft. Vielleicht ist er auch deshalb auf die Idee gekommen, organische Stoffe als Ausgangsbasis für die Wasserstoff-Erzeugung zu verwenden. Außerdem will er Bauern einbinden – als Energiewirte, die aus organischen Reststoffen Wasserstoff und Pflanzenkohle herstellen, und zugleich als Nutzer, die die gewonnene Energie für neue Projekte einsetzen. VERKOHLUNG UND VERGASUNG Mit Enthusiasmus erklärt der 52-Jährige die unterschiedlichen Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff. Da geht es um Elektrolyse und Pyrolyse, um Methanisierung mit Mikroorganismen aus der Tiefsee und schließlich um die von seiner Firma entwickelte Hydrolyse (Verkohlung). Für den Laien ist es nicht immer einfach zu folgen, wenn er darlegt, wie das organische Ausgangsmaterial in seine Elemente getrennt wird. So viel wird klar: Durch hohen Druck und eine Temperatur von etwa 180 Grad entstehen in einem ersten Schritt Kohlenstoff und Wasserdampf. „Kohlenstoff – das ist Braunkohle, welche nach einer weiteren Erhitzung als Pflanzenkohle wiederum mit Nährstoffen aktiviert werden kann“, stellt Hubert Kohler das Nebenprodukt vor. In einem zweiten Gang wird der saubere Wasserdampf wieder mit Kohlenstoff angereichert. Dabei verbindet sich der Kohlenstoff im Flugstromvergaser bei Temperaturen von 1.800 Grad Celsius in einer chemischen Reaktion mit dem Sauerstoffatom und trennt den Wasserstoff. Am Ende ist dann nahezu die komplette Organik umgewandelt. Lediglich 1,5 Prozent des Ausgangsmaterials bleiben bei dem Verfahren als zu entsorgende Schlacke übrig. ANLAGENKOSTEN VERGLEICHBAR MIT BIOGAS Für Landwirte und Kommunen, die in die Wasserstoffproduktion einsteigen wollen, bietet die Firma von Hubert Kohler Anlagen in einer Größe von 300 l oder 600 l an, für industrielle Zwecke seien Größenordnungen von 3.000 l bis 10.000 l sinnvoll. Mit ihnen lasse sich Wasserstoff zu einem Preis von etwa 2 €/kg herstellen. Ein Kilo Wasserstoff verfügt über 33 kWh Energieinhalt. Die Entstehungskosten seien bei größeren Anlagen günstiger, bei kleineren etwas höher zu bewerten. Konkurrenzfähig werde Wasserstoff damit allemal – insbesondere bei steigender CO2-Bepreisung fossiler Energiestoffe. Derzeit müsse ein Käufer für eine 600 l Anlage noch über drei Millionen Euro bezahlen. „Der Preis wird sinken. Letztlich wird das Ganze mit Investitionen für Biogas-Anlagen vergleichbar sein“, so Hubert Kohler. Im Vergleich zu Biogas seien die baulichen Anforderungen für die sogenannte BlueFlux-Anlage sehr einfach. Schließlich sind diese in 20 Fuß Seecontainern installiert, die auf eine Bodenplatte gesetzt werden können. Dazu noch ein paar Zahlen: Für eine 300 l Anlage benötigt man laut Kohler rund 560 t/a organischen Rohstoff mit 30 % TS. Den Stromverbrauch setzt er mit 185.000 kWh/a an. Und als Output werden 140 t/a Pflanzenkohle oder 24,2 t/a Wasserstoff erzeugt – je nach Anlagenkonfiguration. Das System ist modular aufgebaut. „Man kann auch auf reine Pflanzenkohle gehen. Ein Pferdebetrieb hat bei mir zum Beispiel eine kleine Anlage bestellt, nur für diesen Zweck“, erzählt Hubert Kohler. Schließlich sei das Interesse an dem Bodenhilfsstoff allgemein groß. Das Herz des Firmeninhabers schlägt jedoch für den Wasserstoff. Dessen Erzeugung ermögliche den Betrieben weitere Entwicklungsschritte und damit Alternativen zur Massenproduktion. CHANCEN FÜR LANDWIRTE – DAS „REALLABOR“ Mit seiner Technologie möchte Hubert Kohler neue Chancen eröffnen. So könne sein Verfahren die Biogastechnologie ersetzen und ohne EEG-Förderung wirtschaftlich sein. Außerdem lasse sich überschüssige Energie aus Photovoltaik nutzen. Auch die Abwärme müsse angesetzt werden. Im Grunde sollte heute schon neben jeder Biogasanlage ein Gewächshaus zur Gemüseerzeugung stehen oder mehrere Haushalte mit der Wärme versorgt werden. FISCHE UND MILCHPULVER Hubert Kohler hat viele Ideen: Aquaponik zur Fischzucht, eine Milchtrocknung, Aktivitäten im Tourismus und natürlich eine eigene H2-Tankstelle mit Leasingbetrieb von Fahrzeugen. Vieles davon will er in die Realität umsetzen. Und so ist der Landwirtssohn gerade dabei die „Almwirtschaft Windkreut“ aufzubauen. Er möchte dort in einer Art „Reallabor“ zeigen, was aus der Symbiose Wasserstoff und Landwirtschaft möglich ist. Grundlage für die Wasserstofferzeugung sollen der Mist und die Gülle von 50 Kühen, 20 Pferden und 40 Schweinen sein. Dazu kommen kommunale Abfälle und Fremdgülle. Die Baupläne für die neuen Stallungen sind eingereicht. Und im Sommer 2022 sollen die ersten Besucher auf den Hof kommen.