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Magazin Ausgabe 03/2023
03/2023
29. Juni 202129.06.21

Wie zukunftsfähig ist Energie aus Holz?

Bundesverband der Maschinenringe e.V

Wärme aus Holz spielt eine umstrittene Rolle in der Energiewende. Für die einen ist sie klimaneutral, für die anderen eine CO2-Bombe. Südlich von München betreiben Maschinenringe und Waldbesitzervereinigungen Heizwerke. Sind sie Zukunfts- oder Auslaufmodelle?

Diese Recherche beginnt mit einem Waldspaziergang. Bunt gemischt stehen hier Fichten und Kiefern. Unter ihnen kämpfen sich junge Buchen nach oben, einige Schritte weiter stehen schmale Birken. Ein Schild weist auf Forstarbeiten hin, es riecht nach frisch geschnittenem Holz, welches sich links und rechts meterhoch stapelt. Für mich ist dieser Wald vor meiner Haustüre ein besonderer Ort. Für die Statistik ist er der typische deutsche Wald.

Wie geht es unseren Wäldern?

In den 1980er Jahren wurde ein neues deutsches Wort erfunden: das Waldsterben. Unseren Wäldern ging es schlecht. Der heutige Ist-Zustand lässt sich dagegen gar nicht so leicht beschreiben. Die letzte Bundeswaldinventur ist neun Jahre her. Ihre Kernzahlen lesen sich so: In Deutschland stehen rund 90 Milliarden Bäume und es werden stetig mehr. Der Anteil der resistenten Mischwälder nimmt zu, auch der Anteil des für die Biodiversität wichtigen Totholzes steigt. Auf der anderen Seite nehmen Schäden drastisch zu, die bereits heute auf den Klimawandel zurückgeführt werden können: Borkenkäfer zerstören ganze Fichtenwälder, Unwetter brechen hektarweise Bäume weg, Dürren setzen dem Wald weiter zu. Die Waldzustandserhebung 2020 stellt eine mittlere Kronenverlichtung von 26,5 Prozent über alle Baumarten hinweg fest. Das ist mehr als je zuvor und ein wirkliches Alarmsignal. Dazu kommt, dass immer mehr Holz geschlagen wird. Im vergangenen Jahr waren es mit 80,4 Millionen Kubikmetern mehr als je zuvor. Zwischen 15 und 20 Prozent davon wurden als Energieholz verbrannt. Genau darum ist – im wahrsten Sinne des Wortes – eine heftige Debatte entbrannt.

Unverzichtbarer Wärmeträger

In Weyarn, keine 40 Kilometer südlich von München, steht Sebastian Henghuber vor einem Heizwerk. Betrieben wird es von der MW Biomasse AG, deren Vorstand der 38-jährige Diplom-Ingenieur mit der Fachrichtung Forstwirtschaft ist. Seit 2014 versorgt dieses Heizwerk rund 150 Wohneinheiten, darunter das Rathaus und den Hauptsitz des Deutschen Ordens, mit Wärme. „Pro Jahr werden allein hier 360.000 Liter Heizöl eingespart“, erklärt Henghuber bei der Führung durch das Heizwerk. Die Besonderheit hier: Dank eines getakteten Netzes und eines Pufferspeichers sowohl im Heizwerk als auch in den Wohneinheiten kann selbst in Zeiten mit Spitzenlast zuverlässig Wärme geliefert werden. Pro Jahr werden dafür 4.500 Schüttraummeter Holz in Form von Hackschnitzeln verbrannt. Dort setzt die Kritik von Umweltschützern wie Dr. Christoph Thies von Greenpeace an. Er fordert, dass Deutschland schnellstmöglich aus der Verbrennung von Holz aussteigen muss.

Klimaneutral oder nicht?

Denn wird Holz verbrannt, wird zwangsläufig Kohlenstoff in Form von Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Eine Tonne Holz besteht circa zur Hälfte genau daraus. Wird das Holz verbrannt, verbindet sich der Kohlenstoff mit Sauerstoff und es entsteht CO2. Jede verbrannte Tonne Holz setzt somit rund 1,8 Tonnen Kohlenstoffdioxid frei. Das ist genau die Menge, die vorher aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß schnellstmöglich reduziert werden. In Deutschland wachsen pro Jahr rund 122 Millionen Kubikmeter Holz nach, das sind 40 Millionen mehr, als im Rekordjahr 2020 geerntet wurden.

Das gleiche gilt natürlich auch für Totholz, welches im Wald einfach liegenbleibt. Irgendwann wird auch hier der gebundene Kohlenstoff freigesetzt. Auch Möbel, Dächer und Häuser halten nicht ewig. Holz ist ein vergänglicher Speicher. Vor dem Hintergrund der immer drastischeren Appelle aus der Wissenschaft klingt die Forderung von Christoph Thies dennoch einleuchtend. Sie kollidiert nur wie so oft in Sachen Klimaschutz mit der Realität. Wird hierzulande Wärme aus erneuerbaren Energien erzeugt, dann kommt diese zu zwei Dritteln aus Holz.

„Kein Waldbesitzer fällt einen Baum, um diesen dann komplett zu verbrennen“, erklärt Sebastian Henghuber. Bei einem gesunden Baum landen nur etwa 15 Prozent direkt in Heizwerken. Eine Ausnahme ist von Unwettern oder Parasiten betroffenes Schadholz. Außerdem betont er, dass in den von der MW Biomasse AG betriebenen Heizwerken ausschließlich Holz aus der Region verbrannt wird. „Wir sparen die Transportkosten und -Emissionen, wir wissen, dass unser Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern kommt und geben den Waldbesitzern weitere Anreize, ihre Forstflächen entsprechend zu bewirtschaften.“

Intensive Waldnutzung

Dass Deutschland überhaupt Wärme und Strom aus Holz erzeugen kann, liegt nicht nur an seinem Waldreichtum. Die Forstwirtschaft gehört zu den intensivsten weltweit. Hierzulande wird viel gefällt, aber noch mehr wächst nach. Während Deutschlands Waldfläche seit Ende des Zweiten Weltkriegs wächst, verschwinden anderswo im Rekordtempo Wälder. In Brasilien waren das in den vergangenen 30 Jahren über 400.000 Quadratkilometer, eine Fläche so groß wie Deutschland und Dänemark zusammen.

Umweltschützer Thies schlägt auf Grundlage einer Greenpeace-Studie vor, den Holzeinschlag in Deutschland um ein Drittel zu senken. „Uns geht es nicht darum, kein Holz mehr zu fällen. Es muss nur weniger werden.“ Denn die intensive menschliche Nutzung hat hier wie nahezu überall in Europa das, was die Wissenschaft als Wildnis definiert, nahezu vollständig verdrängt. In Deutschland sind es nur magere 0,6 Prozent. Politisch angestrebt sind immerhin zwei Prozent.

Ist Holzenergie zukunftsfähig?

Zurück im Heizwerk von Weyarn. Während draußen die Temperaturen nur knapp über dem Nullpunkt liegen, ist es innen fast schon zu warm. Auf die Frage, welche Zukunft er für die Holzenergie sieht, wird Sebastian Andrä nachdenklich. Er macht sich Sorgen, „dass eine gute Art, Wärme zu erzeugen, aus ideologischen Gründen geopfert wird.“ Umweltschützer fordern bereits seit Jahren, dass Deutschland aus der Holzverbrennung nahezu komplett aussteigt und dass Holzenergie nicht mehr als klimaneutral anerkannt wird. Das hätte zur Folge, dass alle staatlichen Förderungen eingestellt werden würden.

Werden große Kohlekraftwerke auf Biomasse, also überwiegend Holz, umgerüstet, steigt der Holzbedarf drastisch an. Die dafür benötigte Masse könnten deutsche Wälder nicht liefern. Die Folge wären Holzimporte aus aller Welt, auch aus Ländern, in denen tatsächlich Raubbau am Wald betrieben wird.

Auch Sebastian Henghuber sieht diese Pläne skeptisch. Für ihn geht das Konzept vor allem durch seine Regionalität auf. „Wir haben die Chance und die Pflicht, Lieferketten sowie Holzherkunft transparent und regional zu halten“, betont der studierte Forstwirt. Wenn das gelingt, ist er sich sicher, wird die Energiegewinnung aus Energieholz eine zentrale Stütze der Energiewende bleiben.

Für Waldbesitzer wie Sebastian Andrä war der Holzmarkt in den vergangenen Jahren vor allem ein Verlustgeschäft. Der Preis für Fichtenholz hat sich seit 2014 halbiert. Spätestens seit Ende 2020 stieg jedoch der globale Holzbedarf explosionsartig an. Besonders die USA und China kauften den Weltmarkt nahezu leer. Seitdem erholen sich die Erzeugerpreise langsam wieder, sind jedoch noch weit von dem entfernt, was Waldbesitzer fordern. Für einen Festmeter Fichte gibt es Stand November 2021 90 Euro. 2014 waren es im Jahresschnitt 106 Euro.

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