Du hast die URL erfolgreich in deine Zwischenablage kopiert!
ZurückZurück
21. Dezember 202221.12.22

Zickaden-Alarm

Maschinenringe Deutschland GmbH

Sie ist kaum einen Zentimeter groß, hat einen schwarzen Körper mit hellbraunen Linien auf dem Rückenschild und bräunlich-transparente Flügel: Doch Zuckerrüben- Anbauer, die die Schilf-Glasflügelzikade über ihre Bestände fliegen sehen, packt mittlerweile das kalte Grauen. Denn das Insekt, dessen Lebensraum eigentlich im westlichen Europa liegt, wandert aufgrund veränderter klimatischer Verhältnisse seit ein paar Jahren kontinuierlich ostwärts und verbreitet in den Rübenanbaugebieten von Baden-Württemberg, Bayern und der Südpfalz eine für die Landwirtschaft existenzbedrohende Krankheit. 30.000 HEKTAR BETROFFEN Das sogenannte Syndrome Basses Richesses (SBR) wird von phytopathogenen Bakterien hervorgerufen. Diese sorgen für einen niedrigeren Zuckergehalt der Pflanzen und beim Rübenertrag für teils drastische Einbußen von bis zu 40 Prozent. Überträger der Bakterien ist die Schilf-Glasflügelzikade. Sie hat ihren Lebenszyklus an die Kulturfolge Zuckerrüben – Winterweizen angepasst. Erstmals aufgetreten war SBR in Frankreich Anfang der 1990er Jahre. Von dort brei tet sich die Krankheit seit einigen Jahren in Süd- und Ostdeutschland aus. Besonders betroffen sind die Zuckerfabriken Offenau, Offstein, Ochsenfurt und Zeitz. Geschätzt sind 30.000 Hektar in Baden-Württemberg (18.000 ha), der Südpfalz (2.000 ha), Franken (5.000 ha), der Elbaue (4.000 ha) und dem Oderbruch (1.000 ha) betroffen. Auf den befallenen Flächen färben sich ab August die äußeren Blätter der Rüben gelb. Die inneren Blätter im Herz der Pflanzen weisen lanzettliche oder asymmetrische Formen auf. Typisch sind auch die verbräunten Leitbündel im Rübenkörper. Ganze Felder wirken dann wie vergilbt. VERGILBTE FLÄCHEN Als Landwirt Stephan Fuchs aus dem unterfränkischen Ochsenfurt 2019 erstmals mit SBR in Kontakt kam, wollte er seinen Augen nicht trauen. „Das kam schlagartig im August“, erinnert er sich an den Anblick der vergilbten Rübenflächen. Stephan Fuchs betreibt seine Landwirtschaft auf beiden Seiten der bayerisch-baden-württembergischen Landesgrenze. Rund 70 Hektar Zuckerrüben baut der Landwirt an. „Bis zum Frühjahr 2019 hatten wir an SBR gar nicht gedacht“, erzählt er. 19 Hektar Rübenfläche in Baden-Württemberg seien damals im ersten Jahr befallen gewesen. In den Flächen hätten Ertrag und Zuckergehalt einfach nicht mehr gepasst. In den darauffolgenden Jahren habe sich die Situation noch verschlechtert. Stephan Fuchs ist Mitglied im Maschinenring Maindreieck und so wie ihm geht es zahlreichen seiner Kollegen, bestätigt die Maschinenring-Geschäftsführerin Jutta Michel. 98 Prozent der Mitglieder bauten Zuckerrüben an. „Wir sind ein Rübenring“, sagt Jutta Michel. Wenn sie im Herbst die Schläge abführen, sehe man die Probleme, die SBR verursache, deutlich. Vor fünf Jahren seien es noch verhältnismäßig wenige Flächen gewesen. „Aber jetzt drückt es immer mehr herein“, erklärt die Geschäftsführerin. Momentan seien die Landwirte der Krankheit beinahe ausgeliefert. Denn weder die Bakterien noch die Schilf- Glasflügelzikade ließen sich direkt bekämpfen. Die einzige Lösung stelle nach derzeitiger Sicht die Verwendung von neuem SBR-tolerantem Saatgut dar. NUR TOLERANTE SORTEN HELFEN „Der derzeit einzige Ansatz ist die Züchtung“, bestätigt Andreas Kleinschrodt, Regionalleiter Süd des niederländischen Saatgutherstellers SESVanderHave. „Die Zikade hat sich bei uns aufgrund des Klimawandels etabliert“, erklärt er. Die Attraktivität der Zuckerrübe liege für das Insekt in der schieren Masse an Nahrungsangebot begründet. „Diese Zikade liebt Rüben und Weizen. Das ist ein reichgedeckter Tisch“, sagt Kleinschrodt. Für eine konventionelle Bekämpfung sei das Tier einfach zu mobil. „Die Zikade springt vor einer Pflanzenschutzspritze einfach weg.“ Rund 25 bis 30 Kilometer weiter breitet sich das Insekt laut Kleinschrodt derzeit pro Jahr aus. Auch die Verwendung SBR-toleranten Saatguts könne die Ausbreitung der Zikade nicht stoppen. Aber die neuen Sorten erwiesen sich gegenüber der Krankheit robust und verlören bei einem Befall wenig Zuckergehalt und Ertrag. Seit vergangenem Jahr hat Kleinschrodts Unternehmen SESVanderHave die Zulassung für die SBR-tolerante Sorte FITIS. Für dieses Jahr stehe sie zur Aussaat erstmals zur Verfügung. SESVanderHave habe erstmals in Frankreich an SBR geforscht und seine Aktivitäten nach der Ausbreitung in Deutschland fortgesetzt. Innerhalb des eigenen Züchtungsmaterials habe man dabei Sortenunterschiede bei der Reaktion auf SBR gefunden: Einige Sorten hätten eher geringe Verluste im Zuckergehalt und deutlich schwächere Krankheitssymptome wie etwa Vergilbung gezeigt. FITIS sei die Sorte mit der maximalen Toleranz gegenüber SBR in Deutschland. Die Ergebnisse der Wertprüfung Zuckerrübe 2019/2020 zeigten, dass FITIS bei SBR-Befall die höchsten Bereinigten Zuckererträge und die höchsten Bereinigten Zuckergehalte erreiche. SICHERUNG DER RÜBENANBAUFLÄCHEN Wichtigstes Ziel sei die Sicherung der Rübenanbauflächen. „Die Rübe ist perfekt organisiert, auch mit den Maschinenringen vor Ort. Diese Wertschöpfungskette ist in Gefahr und es gilt sie zu erhalten“, sagt Kleinschrodt. Auch deshalb sei das Thema SBR mittlerweile „ganz oben aufgehängt“. Das Institut für Zuckerrübenforschung an der Universität Göttingen untersuche intensiv Möglichkeiten, gegen SBR anzugehen. Die Forschung stecke einfach noch in den Kinderschuhen. Auch das Projekt NIKIZ (Nachhaltiges Insekten- und Krankheitsmanagement im Zuckerrübenanbau) beteiligte sich mit Anbauversuchen mit FITIS-Saatgut vergangenes Jahr an den Forschungen. NIKIZ bestätigte die hohe Toleranz des FITIS-Saatguts gegen SBR.

Teile jetzt diesen Artikel

ZurückZurück
Fragen?