"Angst ist unsere wichtigste Versicherung", sagt Extrembergsteiger Alexander Huber. Und er muss es wissen, denn da, wo er steht, ist oben! Der 54-Jährige ist Vater von drei Kindern, studierter Physiker, einer der besten Kletterer der Welt – und Landwirt! Mit Maschinenring Magazin-Chefredakteur Gunther Lehmann sprach er darüber, was ihn als Bergsteiger und Landwirt gleichermaßen bewegt und warum Umkehren und Innehalten am Berg wie im Betrieb überlebenswichtig sein kann.
Alexander Huber Foto: Jan Vincent
Alexander – Extremkletterer und Nebenerwerbslandwirt, wie passt das zusammen? Woher kommt deine Liebe zur Landwirtschaft?
Alexander Huber: Ich bin mit der Landwirtschaft meiner Großeltern groß geworden. Die wurde dann leider stillgelegt. Vor gut 15 Jahren hat sich die Gelegenheit ergeben, einen Bergbauernhof nahe einem Klettergebiet, das ich gut kenne, zu erwerben. Für mich gab es damals gar nicht groß etwas zu überlegen, ob ich die drei Hektar Wiesen und vier Hektar Wald selbst bewirtschafte.
Und wie funktioniert das zeitlich? Du bist durch deinen Sport auch viel auf Reisen.
Alexander Huber: Bis jetzt hat es noch immer so funktioniert, dass ich zum Heu ernten daheim bin. Man muss schon sehen, dass ich kein Tennisspieler bin, der das ganze Jahr auf Tour ist. Ich bin meist jedes zweite Jahr auf einer größeren Reise sechs bis acht Wochen unterwegs. Im Sommer sind meine Schafe sowieso auf der Alm und typischerweise mache ich den ersten Schnitt so um den 10. Juni und den zweiten um den 20. August. Alles andere, was gemacht werden muss, kann ich mir einrichten. Aber natürlich hilft mir auch die Familie und das ist wie überall in der Landwirtschaft auch wichtig.
Erkennst Du zwischen deinen beiden Berufungen, dem Bergsport und der Landwirtschaft, Parallelen? Gibt es für Dich Verbindendes zwischen beiden Welten?
Alexander Huber: Bergsteigen und Landwirtschaft findet draußen in der Natur statt und man sieht dabei die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen. Ich habe Physik studiert und war Mitte der 90er in München am Lehrstuhl für theoretische Meteorologie und es war schon damals ganz klar für die Welt der Wissenschaft, dass die Menschheit die Lebensbedingungen auf der Erde massiv verändert.
Macht Dir diese Entwicklung Angst?
Alexander Huber: Ich sehe, wie die Gletscher massiv zurückgehen und die Berge ja quasi auseinanderfallen und wie die Landwirtschaft mit Umstellungen der Nutzpflanzen und in der Tierhaltung oder dem Umbau des Waldes konfrontiert ist. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass wir sehr schnell einen Weg zu nachhaltigem Leben finden müssen.
Wann hattest Du das letzte Mal Angst?
Alexander Huber: Das kann ich ganz klar sagen. Wenn ich in den Bergen auf einer schweren Tour im absturzgefährdeten Gelände unterwegs bin, hab ich ganz natürlicherweise Angst abzustürzen. Angst ist unsere wichtigste Versicherung. Sie stellt sicher, dass wir konzentriert und fokussiert sind. Nur wenn der Fokus auf den Abgrund gerichtet ist, wirst Du überleben.
Und wie kann man diese Erkenntnis in den Alltag, in den Beruf übertragen?
Alexander Huber: Ich glaube, es ist unheimlich wichtig, Gefahren und Probleme, die einem im Leben begegnen, in den Fokus zu nehmen, um dann richtig zu reagieren und in der Regel bekommt man die Situation dann auch in den Griff. Wenn man allerdings schon nervös ist und bemerkt, nicht mehr Herr der Lage zu sein hilft nur noch eines: Dann muss man umkehren!
Lässt sich das in die betrieblichen Herausforderungen eines Landwirts übertragen?
Alexander Huber: Ein Landwirt, der vor größeren betrieblichen Entscheidungen steht und sich damit nicht wohl fühlt, liefert sich einer Situation aus, die er möglicherweise nicht mehr unter Kontrolle hat. Und das kann natürlich ins Auge gehen. Bei schwierigen Entscheidungen, auch in der Landwirtschaft, sollte man sich, wenn man alles sauber durchdacht hat, auch immer wohl damit fühlen.
Du hattest auch persönlich eine Angsterkrankung und gehst damit sehr offen um. Wie gelang es Dir, Dich zu befreien?
Alexander Huber: Mich haben damals Ängste, Sorgen und seelische Probleme erdrückt. Das Entscheidende war den Punkt zu erkennen, dass ich ein Problem habe und dass ich es lösen muss. Dabei war es eine der klügsten Entscheidungen in meinem Leben, dass ich mir professionellen Rat in einer Gesprächstherapie gesucht habe. Mein Therapeut hat mir die Guidelines gegeben und erklärt, wie und warum ich vor meiner Überforderung davongelaufen bin. Für so etwas brauchst Du einfach Unterstützung von außen.
Zur Person: Extremsportler und Landwirt
Alexander Huber lebt mit seiner Familie auf seinem Hof in Marktschellenberg, im Berchtesgadener Land, am Fuße des Unterbergs. Gemeinsam mit seinem Bruder Thomas hat er weltweit Klettergeschichte geschrieben. Zu Hause bewirtschaftet er im Nebenerwerb 3 ha Wiese und 4 ha Wald. Eine kleine Schafherde und Hühner gehören mit zum Hof. Photovoltaik, Solarthermie und eine Scheitholzheizung machen das Anwesen mitsamt den Ferienwohnungen nachhaltig autark. Dafür geht Alexander Huber selbst zum Holzarbeiten in den Bergwald.