Flächennutzung und Photovoltaik gleichzeitig: Das erscheint auf den ersten Blick wie der Stein der Weisen. Dennoch ist der Zubau derzeit überschaubar. Warum das so ist, sagt uns Jonas Böhm, vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig.
Mahd zwischen den vertikal aufgeständerten Solarmodulen. Foto Next2Sun
Herr Böhm, Freiflächen-PV boomt, aber Agri-PV tut sich trotz Subventionen und Erleichterungen bei der Genehmigung und Flächennutzung derzeit offenbar schwer. Hat man sich zu viel davon erhofft?
Agri-PV ist ein noch sehr neues Anlagenkonzept. Mit dem EEG 2023 hat sich dessen rechtliche Situation enorm verbessert. Anders als die Freiflächenanlagen (FFA) ist die über die EU-Agrarpolitik förderfähige Flächenkulisse für sie geöffnet worden. Es können also 85 % der Flächenprämien gezahlt werden. Weiterhin werden zumindest hoch aufgeständerte Anlagen mit 1,2 Ct/kWh gefördert. Der Anreiz ist also da – aber die Möglichkeiten und Rentabilitäten sind je nach Konzept auch sehr unterschiedlich.
Welche Konzepte sind gerade im Spiel?
Da sind die horizontalen Anlagen, die mehr oder weniger hoch aufgeständert sind. Sie versiegeln kaum Fläche, verschatten aber. Das kann je nach Kultur und Witterung zu 20 % schlechteren Erträgen bei Getreide führen oder zu 20 % besseren bei Kartoffeln in ausgesprochenen Trockenjahren. Ackerbaulich fehlt hier noch viel Grundlagenwissen, aber wir sehen dieses Konzept eher nicht im Ackerbau. Hochaufgeständerte Systeme können in Sonderkulturen wie Äpfel oder Himbeeren günstiger umgesetzt werden, da die Anlagen mit der ohnehin notwendigen Infrastruktur wie Hagelschutznetzen oder Folientunneln kombiniert werden können. Das zweite Konzept, flache bzw. vertikale Analgen mit einem an die Landwirtschaft angepassten Reihenabstand, hat weniger Schutzwirkung, aber auch geringere Kosten.
Jonas Böhm, vom Thünen-Institut Braunschweig
Und wo liegen die Nachteile der Agri-PV?
Dass sie im Vergleich zur Freiflächen-PV eher teurer und damit weniger lukrativ sind. Hinsichtlich der Stromgestehungskosten sind vertikale Anlagen annähernd wettbewerbsfähig.. Anders ist es bei der Flächenrentabilität, die ja bei knappen Flächen durchaus eine Rolle spielt. Die Grundrente einer FFA von über 5 000 €/ha ist mehr als doppelt so hoch wie die einer Agri-PV mit Weizen, Raps, Gerste und Kartoffeln. Die EU-Flächenprämie macht somit keinen Unterschied.
Landwirte wünschen sich eine Privilegierung der Agri-PV. Was spricht dagegen?
Die Möglichkeit der Gemeinden, privilegierte Bauvorhaben abzulehnen, sind deutlich geringer als bei notwendigen Änderungen des Bebauungsplans. Hinsichtlich einer schnellen Umsetzung liegen hier zwar Vorteile, jedoch steigt die Gefahr eines unkontrollierten Wildwuchses. Angesichts von Pachtpreisen von derzeit 3 500 €/ha für Freiflächenanlagen wird schnell deutlich, wie hoch der Anreiz ist, solche Systeme umzusetzen.Daher sehen wir die Gefahr eines unkontrollierten Zubaus, in dessen Folge die Akzeptanz verloren gehen könnte. Ähnlich des Ausbaues von Windenergieanlagen vor etwa zehn Jahren. Zu beachten ist auch: Planungsbüros beginnen erst ab einer Fläche von 7 ha, PV-FFA zu planen, bei Agri-PV in der Regel sogar noch mehr.
"Wir werden für ein transformiertes Stromsystem in Deutschland nur 2 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche benötigen."
Wird das zum Problem für den Bodenmarkt?
Wir reden über einen vergleichsweise geringen Flächenanteil. Wir werden für ein transformiertes Stromsystem in Deutschland nur 2 % (aktuell 0,1 %) der landwirtschaftlich genutzten Fläche benötigen. Selbst im ungünstigsten Szenario wären es 4 %. Zum Vergleich: Biogas benötigt aktuell schon ca. 9 % der Fläche. Allerdings steigt die Nachfrage der Gesellschaft nach landwirtschaftlicher Fläche auch aus anderen Gründen, für die Erhöhung der Biodiversität oder die Wiedervernässung von Moorflächen. Aus unserer Sicht sollten daher solche Ziele mit dem Ausbau von PV geschickt kombiniert werden, um den Verlust ertragreicher Ackerflächen zu minimieren.
PV ist nicht die einzige erneuerbare Energie. Wie steht es – unter dem Gesichtspunkt knapper Flächen – mit der Effizienz?
Am Thünen-Institut haben wir die Flächenenergieerträge von Biogas aus Mais oder Biodiesel aus Raps mit PV-FFA und Agri-PV sowie Windenergieanlagen verglichen, und zwar für Strom, Wärme und Mobilität. Mit Photovoltaik und Wind lässt sich um ein Vielfaches mehr Energie je Hektar landwirtschaftlicher Fläche erzeugen als mit Bioenegie, selbst wenn Koppelprodukte und Stromspeicherung berücksichtigt werden. Der Stromertrag je Hektar ist bei PV-FFA im Mittel 28 mal höher als bei Biogas! Mit Strom aus PV-FFA kann im Mittel 54 mal mehr Wärme erzeugt werden als mit der Hackschnitzelproduktion aus Kurzumtriebsplantagen. Mit Biodiesel aus einem ha Raps, inklusive Gutschrift der Koppelprodukte, fährt ein Auto 57 000 km/Jahr. Mit dem Strom aus einer PV-FFA sind es 3,9 Mio. km! Bezogen auf den Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche sind Windräder nochmals deutlich effizienter.
Ihre Empfehlung an die Politik ist also klar?
Ja.