„Liebe ist, wenn man einen Landwirt heiratet!“ Dieser Slogan war im Rahmen der Bauernproteste auf einem Schild zu lesen. Denn Partnerschaften auf dem Hof sind herausfordernd. Kommt einer von beiden nicht aus der Landwirtschaft, ist es noch schwieriger – aber nicht unmöglich. Das Maschinenring-Ehepaar, Marina und Peter Hirschberger, erzählt, wie ihr Weg aussah und wo sie heute stehen.
Die Arbeitstage sind lang, die finanzielle Belastung ist hoch und die Freizeit ist knapp. Während landwirtschaftliche Betriebe laufen müssen, werden Beziehungen auf eine harte Probe gestellt. Vor allem für Partner, die nicht selbst auf einem Hof aufgewachsen sind, können diese Umstände herausfordernd sein. „Das ist schon anders, wie bei ‚normalen‘ Jobs. Betreibt der Partner eine Landwirtschaft muss man ein gewisses Verständnis haben und kompromissbereit sein“, erzählt Marina Hirschberger. Und sie weiß, wovon sie spricht: Ihr Mann Peter führt einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Oberdorf, einem 150-Seelen-Dorf im bayerischen Landkreis Eichstätt. Sein Arbeitsbereich? Ackerbau, Forstwirtschaft und Lohnarbeiten wie Dreschen.
Viel Zeit nimmt aber vor allem die Biogasanlage in Anspruch, die er mit einer weiteren Familie aus dem Ort betreibt. Die Anlage muss 365 Tage im Jahr betreut werden – auch weil sie das Dorf, rund 30 Haushalte, mit Fernwärme versorgt. Daher ist Peter täglich sowohl in der Früh als auch am Abend vor Ort. Im Falle von Störungen muss er rund um die Uhr erreichbar sein. Das Telefon klingelt ständig, die Meldungen hat er per Smartphone im Blick. So kann Peter beurteilen, ob er sofort aufspringen muss oder beispielsweise die Kinder noch ins Bett bringen kann. Nicht zu unterschätzen seien zudem die immer anspruchsvollere Bürokratie für landwirtschaftliche Betriebe und die damit verbundene Büroarbeit. Darum kümmert sich der Landwirt dann oft noch am Abend oder wie jetzt, an nass-kalten Wintertagen.
Diese nie enden wollende Arbeit kann bei neuen Partnern ohne landwirtschaftlichen Hintergrund schon mal für Unmut sorgen, vor allem wenn die gemeinsame Zeit dadurch zu kurz kommt. „Treffen unterschiedliche Lebenswelten aufeinander, ergeben sich immer Konfliktpotentiale“, erklärt Volker Willnow, Berater in der Landwirtschaftlichen Familienberatung im Evangelischen Bauernwerk in Württemberg e.V. Die Beratungsstelle ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Familie und Betrieb e.V., in der die Landwirtschaftlichen Familienberatungen und Sorgentelefone zusammengeschlossen sind. Die Einrichtungen unterstützen in schwierigen, familiären, persönlichen oder wirtschaftlichen Lebens- und Arbeitssituationen.
Kurzfristige Planänderungen oder Verspätungen am Abend sorgten bei Marina und Peter schon öfter für Diskussionen. Doch die beiden haben schnell herausgefunden, was an dieser Stelle hilft: „Wenn man alleine ist, kann man einfach sein Ding machen. Aber sobald man zu zweit ist, sollte man über die Landwirtschaft und die Aufgaben reden. Das ist etwas, was ich gewissermaßen lernen musste“, erzählt Peter. Denn kennt Marina die Hintergründe, kann sie die Beweggründe ihres Mannes besser verstehen. Auch für Willnow ist Kommunikation der entscheidende Faktor, um eine Beziehung auf dem Hof zu meistern. Zudem sei eine realistische Einschätzung der Verhältnisse hilfreich: „Tatsächlich sind Liebe und Partnerschaft mitunter flüchtige Güter. Nichtsdestotrotz sind sie das Einzige, was unserem Leben Sinn und einen bleibenden inneren Wert gibt."
Kompromisse statt Verärgerung
Marina und Peter lernten sich schon jung kennen. Das ermöglichte es Ihnen, sich langsam an das Zusammenleben auf dem Hof zu gewöhnen. Zu Beginn der Beziehung arbeitete Peter noch als Land- und Baumaschinenmechaniker. Aber es war von Anfang an klar, dass er einmal den Familienbetrieb übernehmen und immer wenig Zeit haben wird. Für Marina war das an sich nichts Neues: Ihr Vater war selbständig, auch er arbeitete am Wochenende. Das machte es ihr leichter, die hohe Arbeitslast ihres Partners zu verstehen. Außerdem baute sie sich ihre eigene Karriere auf. Sie studierte Industrial Engineering, arbeitete bei großen Unternehmen und war dadurch mit eigenen Themen beschäftigt. „Daher hat es mich nicht so groß gestört, wenn Peter mal keine Zeit hatte. Wenn ich immer nur darauf warten würde, dass er nach Hause kommt, wäre es schwierig“, erzählt sie. Und Peter versucht ebenfalls, Zugeständnisse zu machen: „Es gibt ja genauso Zeiten, in denen ich flexibler bin. In der Hochsaison bin ich schon mal 16 oder 18 Stunden unterwegs, das macht mir nichts aus. Aber ich will ja auch bei meiner Familie sein. Dann schaue ich eben, dass es funktioniert.“
Aus Expertensicht genau der richtige Weg: „Partnerschaft ist immer die Partnerschaft zweier Menschen. Dazu gehört, dass beide Partner gegen alle Rollen rebellieren müssen, die sie übermäßig funktionalisieren oder vollständig in Anspruch nehmen“, erklärt Willnow. „Würde der Betrieb die ganze Zeit an erster Stelle stehen, kann man zwar immer noch irgendwie zusammenleben oder verheiratet sein. Eine Partnerschaft ist das nach meinem Verständnis jedoch nicht.“ Das Ergebnis? Enttäuschung, Frust und Unzufriedenheit.
„Trotzdem gibt es auch für mich ein Thema, dass immer schwierig war“, gibt Marina zu. Jetzt wirkt Peter doch für einen kurzen Moment verunsichert. Aber als seine Frau weiterredet, weiß er gleich, worum es geht. „Ich hätte mir gut vorstellen können, für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten. Jedoch wusste ich immer, dass das aufgrund der Landwirtschaft nicht möglich wäre. Daran musste ich mich gewöhnen“, berichtet sie. Der Kompromiss? Der ein oder andere Urlaub, falls sich ein passendes Zeitfenster findet. Oder spontane Ausflüge, beispielsweise bei schlechtem Wetter. Außerdem hat sich Marina beruflich nochmal weitergebildet und ein Master-Studium im Bereich Wirtschaftspsychologie abgeschlossen. In ihrer jetzigen Tätigkeit als Coach kann sie sich ihre Arbeitszeiten flexibel einteilen, genau wie ihr Mann. So gewinnt das Paar zusätzlich Freiraum für gemeinsame Unternehmungen.
Überraschung zur Hochzeit vor zehn Jahren. (Foto: Hirschberger)
Klare Grenzen und gleiches Recht für alle
Landwirtschaft ist jedoch nicht nur zeitintensiv, sondern in der Regel immer noch Familiensache. Neulinge habe es da oft nicht leicht. Vor allem, wenn es um das Zusammenleben geht. „In den meisten Fällen wohnen die Schwiegereltern, wie in meinem Fall, direkt nebenan. Da ist es wichtig, dass man sich gut versteht“, erzählt Marina. Geholfen habe, dass sich alle schon lange kennen. Durch die räumliche Nähe sei die Familie nun noch enger zusammengewachsen.
Das Landleben selbst war für Marina nichts Neues. Sie ist in einem kleinen Dorf in der Nähe aufgewachsen. Bei ihren Großeltern konnte sie schon ein bisschen in das Hofleben hineinschnuppern. In den Familienbetrieb ihres Mannes ist sie aber nicht miteingestiegen. „Es war von Anfang an klar, dass ich als Arbeitskraft auf dem Hof nicht benötigt werde und ich weiter meinem Beruf ausüben kann. Außerdem finde es wichtig, dass der Partner, der auf den Hof kommt, nicht alles aufgeben muss, sondern einer Beschäftigung nachgehen kann, die ihn erfüllt“, betont sie.
Von den Schwiegereltern wurde diese Entscheidung immer akzeptiert, denn bei Ihnen war die Konstellation ähnlich. Peters Mutter ging ebenfalls einem anderen Beruf nach, anstatt Bäuerin zu werden. „Daher hatte sie Verständnis für meine Situation. Das hat es um einiges leichter gemacht“, erklärt Marina. Auch die Erfahrungen aus der Familienberatung zeigen: So harmonisch läuft es in Familienbetrieben nicht immer ab. Gebe es an dieser Stelle Schwierigkeiten, sei es essenziell, eigene Bedürfnisse klar zu kommunizieren und als Paar sein eigenes Leben zu leben. „Grenzen zieht man durch Selbstwert. Ich bestimme über mich und der andere über sich. Und jeder ist für seine Reaktionen selbst verantwortlich“, betont Willnow.
Schritt für Schritt in die Zukunft
Eine Partnerschaft ist außerdem immer für beide Personen auf Entwicklung ausgelegt. „Stockt der Mut und Wille zur persönlichen Entwicklung, läuft jede Partnerschaft Gefahr sich zu verlieren“, erzählt Willnow. Marina und Peter gehen diesem Weg schon lange Seite an Seite. In diesem Jahr feiern sie ihren zehnten Hochzeitstag. Ihre zwei Kinder machen das Familienglück komplett.
Der Nachwuchs habe abermals viel verändert. Gemeinsame Zeit sei noch wichtiger geworden, so das Paar. An dieser Stelle würden jedoch zur Abwechslung die Vorteile der Lebenswelt Landwirtschaft zum Tragen kommen: Die Großeltern wohnen beispielsweise mit auf dem Hof und können ab und zu auf die Enkel aufpassen. Zusätzlich übernehmen Peters Vater sowie sein jüngerer Bruder Aufgaben im Familienbetrieb und in Stoßzeiten sind Freunde und Bekannte mit an Bord. Ansonsten werden Peters Arbeitsaufgaben einfach in das Familienleben integriert. Hat Marina am Nachmittag einen Termin, kann Peter den Nachwuchs beispielsweise auf dem Traktor mitnehmen. Am Abend besucht ihn seine Familie dann regelmäßig auf dem Gelände der Biogasanlage.
Den Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder die Landwirtschaft hautnah miterleben und die positiven Seiten kennenlernen. „Ich nehme die Kleinen gerne mit und zeige ihnen alles. Dafür muss man sich die Zeit nehmen und dann gefällt es ihnen auch“, erklärt Peter. „Das funktioniert aber nur, wenn man selbst die nötige Ruhe hat und nicht gestresst ist.“ Dass das ist in der Branche nicht selbstverständlich ist, ist dem Landwirt bewusst. Denn die große Arbeitsbelastung macht auch ihn an dieser Stelle nachdenklich, genauso wie die Planung für die Zukunft. „Der Hof ist mit immer mehr Arbeit verbunden und ich weiß nicht, wo die Reise hinführt“, erzählt Peter. „Daher ist es wichtig, mehrere Standbeine zu haben, am Ball zu bleiben oder mal verrückte Ideen ausprobieren.“ Das geht gleichzeitig mit hohen Investitionskosten, jeder Menge Arbeit und viel Verantwortung einher, die nicht nur der Landwirt, sondern die Familie gemeinsam zu tragen hat. In diesem Moment klingelt dann auch Peters Telefon. Er muss sich wieder um seinen Hof kümmern. Für einen kurzen Ausflug zur Biogasanlage bleibt jedoch trotzdem noch Zeit.
Die Biogasanlage mit der Maschinenhalle aus der Luft. Im Hintergrund sieht man Oberndorf. Dort hat sich das Paar ein gemeinsames Zuhause gebaut. (Foto: Hirschberger)